Leitartikel CSD Magazin 2017

Titel CSD Nord Magazin 2017

Die Welt in der ich leben will

 

Gegen etwas zu sein ist sehr leicht. Natürlich bin ich gegen Umweltverschmutzung, gegen Ausländerfeindlichkeit auch. Das ist einfach.

 

Gegen etwas sein kann jeder. Die AfD ist gegen Ausländer und gegen Homosexuelle. Gegen Merkel natürlich auch. Die Grünen sind gegen übertriebenen Fleischkonsum, die Liberalen gegen zu viele Regeln, die SPD ist gegen Ungerechtigkeit und die CDU aktuell allem gegen die AfD. 

Gegen etwas zu sein ist wirklich einfach. Denn wenn ich gegen etwas bin, muss ich mir ja keine eigenen Gedanken machen, wie es anders aussehen soll. Reicht ja, dagegen zu sein. Ich weiss, was ich nicht will. Sollen doch andere sich ausdenken, wie es dann sein soll. Ich sehe das dann ja. Wenn es mir nicht gefällt, kann ich wieder dagegen sein. Beim Christopher-Street-Day protestiere ich zusammen mit Tausenden von Menschen gegen Diskriminierung, fehlende rechtliche Gleichstellung und Homophobie. 

 

Doch wofür bin ich eigentlich? Wie ist die Welt, in der ich leben will? Was ist das Schöne an ihr? Wieso ist so eine Welt auch für Heterosexuelle erstrebenswert? Wieso sollten alle Menschen nach dieser Welt streben?

Also heisst es nachdenken. Wogegen ich bin, ist klar. Ich bin dagegen, dass Homo- und Transsexuellen Rechte vorenthalten werden und ihnen damit vor allem ihr Wert abgesprochen wird.

 

Wie ist nun die Welt, die ich mir erträume? Ich denke, vor allem ist es eine Welt, in der weniger Angst herrscht. In der du als Mädchen keine Angst davor hast, deinen Eltern davon zu berichten, wie toll du die Tochter des Bäckers findest. In der du nicht heimlich herauszufinden versucht, ob diese das denn genauso sieht und fühlt und mit diesen Gefühlen alleine bist. Ich möchte eine Welt, in der keine Angst davor herrscht, dass dein Arbeitskollege herausfinden könnte, dass du schwul bist und dich deswegen meidet, beleidigt oder sogar mobbt. In der er du jedes Wort abwägst, was du von deinem Wochenende und deiner Freizeit erzählst. In der du nicht aus Angst vage und ungenau bleibst und von Freunden spricht, anstatt von deinem Freund und Partner. Es ist eine Welt, in der du in deiner Sportmannschaft keine Angst hast, dass die Teamkollegen plötzlich nicht mehr mit dir gemeinsam in der Umkleidekabine sein wollen. Das wäre eine schöne Welt. Eine Welt mit weniger Angst.

 

Ich wünsche mir eine Welt, in der wir Unterschiede bereichernd finden. In der wir Klischees und Vorurteile über Bord werfen und uns für unser Gegenüber interessieren. In der wir Menschen zuerst kennenlernen und dann beurteilen. Eine Welt, in der es wichtiger ist, wie sich jemand verhält und nicht, was man angeblich ist. 

 

In dieser Welt ist es nicht wichtig, wer wen liebt. Es ist auch nicht wichtig, wie jemand aussieht, was jemand kann. Es ist nur wichtig, was jemand tut. In so einer Welt, in der alle Menschen die gleichen Rechte haben und in der sie vor allem gleichwertig akzeptiert werden, wird es weniger Angst geben. 

 

In so einer Welt möchte ich leben. Für so eine Welt lohnt es sich, zu kämpfen.

Kai Bölle, für den CSD Nord

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